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Das Additive Manufacturing (AM), auch bekannt unter der Bezeichnung Rapid Manufacturing (RM) und Rapid Prototyping (RP), erstellt feste Körper nach dem Schichtprinzip, ähnlich einem 2D Drucker, der die gedruckte Seite auf die vorherige aufsetzt. Die Bezeichnung „3D Drucken“ ist eine allgemeine Bezeichnung, welche die vielen unterschiedlichen AM Technologien beinhaltet, auf die in diesem Dokument im Folgenden eingegangen wird (1).
Für die Bewertung einer neuen Technologie kann man ihre Anwendungen und positiven Einflüsse auf die Gesellschaft betrachten und beurteilen. Dazu eignet sich die Maslowsche Bedürfnispyramide, die eine gute Grundlage für eine solche Bewertung darstellt. In dieser Pyramide sind alle menschlichen Grundbedürfnisse nach ihrer Wichtigkeit und Qualität festgelegt und gruppiert.
Maslow nutzte dabei die Bereiche Existenzbedürfnisse, Sicherheit und Sozialbedürfnis, Anerkennung und Selbstverwirklichung als Beschreibung des Musters, indem die Menschheit im Normalfall lebt. Maslows Bedürfnishierarchie wird oft als Pyramide dargestellt. Das wichtigste und fundamentalste Bedürfnis als Grundlage und das Bedürfnis der Selbstverwirklichung als Spitze.
Abbildung 1: Maslowsche Bedürfnispyramide (2)
Beginnend mit dem Fundament der Pyramide müssen zunächst die menschlichen Grundbedürfnisse befriedigt werden. Nahrung und Unterkunft repräsentieren als zwei grundlegende Bedürfnisse die ersten Schritte in diesem Bereich.
Nahrung ist ein grundlegender Bestandteil des Lebens und somit auch Grundlage der Pyramide der menschlichen Bedürfnisse. Die Lebensmittelindustrie in das digitale Zeitalter zu führen, ist eine der entscheidenden und revolutionären Anwendungen des 3D Druckens. Die Anwendung dieser Technologie ermöglicht schnelle, automatisierte und wiederholbare Prozesse, Designfreiheit, weite und einfache Variationsmöglichkeiten der Zubereitungsprozesse, die an Regionen oder Personen angepasst werden können. Die Verwendung von automatischen, auf schichtbasierenden Nahrungsdruckersystemen erlaubt die Digitalisierung von Rezepturen und stellt eine hohe Wiederholbarkeit und Qualität der Speisen sicher ohne Platz für Bedienfehler zu lassen. Auch die Form sowie die Anrichtung der Speisen kann nach Kundenwunsch oder der Saison individualisiert werden.
Ein Unternehmen namens Choc Edge vertreibt zurzeit den „Welt ersten kommerziellen 3D Schokoladen Drucker“, den Choc Creator. Hier wird über eine Düse geschmolzene Schokolade in jegliches Design und jegliche Form gebracht. Der Preis von 3.500$ scheint zu teuer für den Heimgebrauch zu sein, aber für kleinere Geschäfte kann es sich als sehr erfolgreich erweisen, denn damit können sie Ihr Angebot auf spezielle Kundenwünsche oder Events konfektionieren (3).
Abbildung 2: 3D gedruckte Schokolade (3)
Forschungen der Universität von Cornell bewiesen, dass für 3D Druck Anwendung von Lebensmitteln, neue Materialien zum backen, braten und frittieren geeignet sind. Wie in der Abbildung gezeigt wurden gedruckte Objekte tiefgefroren und behielten ihre Form bei, nur dünne Bereiche verformten sich aufgrund des Gefrierens.
Abbildung 3: 3D gedruckte Nahrung, gefroren (links), nach dem Frittieren (rechts) (4)
Das Cornucopia Programm des MIT arbeitet ebenfalls mit speziellen 3D Druckern für die Lebensmittelindustrie und hat bis jetzt vier Prototypen erstellt. Der digitale Chocolatier ermöglicht das Design von Schokolade und Süßwaren und hat bereits ein ganzes „Karussell“ von Inhaltsstoffen. Des Weiteren kombiniert der digitale Drucker ausgewählte Zutaten und bringt daraus Geschmack und Texturen hervor, die mit anderen Kochtechniken unvorstellbar sind.
Der Schutz ist ein weiteres Grundbedürfnis des Menschen und stellt eine interessante Anwendung für das 3D-Drucken dar. In der Bauindustrie, als eine der letztverbliebenen, dominieren die menschlichen Fähigkeiten und die menschliche Arbeit. Herstellungstechniken mit Robotern werden bislang nur als Science-Fiction angesehen. Die Tatsache, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung ohne ständigen Schutz und Nahrung auskommen muss, lässt direkt darauf schließen, dass die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse oberste Priorität bei der robotisierten Fertigungstechnik haben sollte.
Konventionelle Fertigungsverfahren sind oftmals gefährlich, zeitaufwendig und teuer. Das 3D-Drucken ermöglicht eine automatisierte, schnelle und effiziente Erstellung verschiedenster Gebäude. Für diese Bereiche wurde eine Technologie von der University of Southern California erfunden und entwickelt. Eine skalierte Version einer Gebäude-3D-Druckmaschine ist in Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung 4: Niedrig skalierte Version einer Gebäude-Druck-Maschine (links), 3D gedruckte Schichten aus Beton (rechts) (5)
Die Technologie kann in vielen Bereichen Anwendung finden: Von Wohnprojekten mit individuellem Luxusdesign, über groß angelegte Entwicklungsprojekte, bis hin zu temporären Wohngebieten. Die Technologie könnte es auch Ingenieuren ermöglichen, robustere und sicherere Geometrien für Häuser zu erzeugen, beispielsweise sind Dom-Geometrien oftmals sehr arbeits-, zeitintensiv und schwer zu konstruieren.
Abbildung 5: Sichere und robuste Konstruktion, geeignet für erdbebengefährdete Gebiete, Dom-Form als 3D-gedrucktes Bauteil
Die Technologie könnte des Weiteren bei einer schnellen und exakten Wiederherstellung denkmalgeschützter Gebäude helfen.
Abbildung 6: Sagrada familia, Gaudi design (links), 3D-gedrucktes Bauteil im Gaudidesign (6)
Eine Fertigung von individuellen, komplizierten künstlerischen Entwürfen ist ebenfalls möglich. Dem Architekten werden völlig neue Türen geöffnet: Die Herstellung von noch nie zuvor möglichen Designs, mit einer absoluten Gestaltungsfreiheit ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Arbeiter nehmen zu müssen.
Abbildung 7: 3D-Drucken komplizierter Geometrien
Die zweite Ebene der Maslowschen Bedürfnishierarchie stellen die Sicherheitsbedürfnisse dar: Gesundheit und soziale Kommunikation sind zwei Faktoren, die in dieser Hierarchie zum tragen kommen.
Während viel Aufwand von Individuen, Unternehmen und der Gesellschaft im Allgemeinen betrieben wird, um unser physisches Wohlbefinden zu verbessern, ist das Gefühl des “gesund-seins” sehr subjektiv, standortabhängig und ändert sich im Laufe der Zeit. Dennoch ist immer das Nichterkranken, speziell an chronischen Krankheiten Voraussetzung für ein gutes Wohlbefinden. Krankheiten, Unfälle und Alterung prägen bzw. verschlechtern den körperlichen Zustand oder auch nur ein spezielles körperliches Organ. Seit Jahrzehnten werden erfolgreich Organtransplantationen durchgeführt, wobei es immer an Spendern oder an Übereinstimmungen zwischen potenziellen Spendern und Empfängern mangelt.
Das “3D-Printing” ist eine erweiterte Technologie in diesem Bereich, die eine revolutionäre Alternative mit einer Vielzahl von Anwendungen im Gesundheitswesen sein kann. Verschiedenste Bereiche des Gesundheitswesens wurden bereits in Bezug auf das “3D-Printing” untersucht und werden im Folgenden diskutiert.
Die Regeneration von Organen und Gewebe ist eine besondere Fähigkeit, die bei einigen Pflanzen, Wirbel- und Säugetieren zu beobachten ist - beim Menschen jedoch nur in einem sehr begrenzten Umfang. Durch die immensen Fortschritte bei den generativen Verfahren, auch im Bereich der Biotechnologie, ist die zukünftige Möglichkeit der Herstellung von Gewebezellen bzw. kompletten Organen zu erwarten. Schon heute besteht die Möglichkeit das Wachstum von Gewebezellen in einer 3D-Umgebung unter Berücksichtigung der Bereitstellung von Nährstoffen und deren Ausbreitung darzustellen.
Abbildung 8: Bio Druck Maschine (links), Bio-gedrucktes Model einer Niere (rechts) (7)
Das “3D-Printing” menschlicher Gewebe und Organe kann das Gesundheitswesen, durch die Erhöhung der Lebenserwartung und Verbesserung der Lebensqualität, erheblich verbessern. Organempfänger müssen nicht mehr monate- bzw. jahrelang auf einen passenden Spender mit der richtigen Blutgruppe warten, Transplantationsabstoßungen können ausgeschlossen werden und der illegale Organhandel wird minimiert.
Diese neue Technologie wird die regenerative Medizin in einem noch nicht vorhersehbarem Maße prägen, so wie die ethischen, moralischen und religiösen Problemstellungen bei der konservativen Transplantationsmedizin stark vermindern.
In der Dentalindustrie wird seit Jahrzehnten mit künstlichen Materialien für den Zahnersatz, für Implantate, Kronen und Brücken gearbeitet. Die konventionellen Techniken für die individuelle, personenspezifische Fertigung sind extrem zeit- und kostenintensiv. Im Gegensatz dazu ermöglichen die generativen Fertigungsverfahren in der Dentaltechnik eine erhebliche Kostensenkung und eine wesentliche Verkürzung der Behandlungsdauer.
Abbildung 9: Wachs Implantat für die indirekte Fertigung (links), Co-Cr Implantat für die direkte Fertigung (rechts) (1)
Das “3D-Printing” kann endlich Menschen mit verschiedenen Behinderungen/Beeinträchtigungen die Verwirklichung des Bedürfnisses nach Sicherheit und Integration ermöglichen. So kann die kostengünstige und schnelle Fertigung einer Prothese, einem Beinamputierteten die Möglichkeit einer zügigen sozialen und beruflichen Reintegration eröffnen. 3D-unterstützte, schöhnheitschirurgische bzw. rekonstruktive Eingriffe können Menschen nach Entstellungen unterschiedlichster Ursachen helfen, den Weg in ein selbstbewusstes und eigenbestimmtes Leben wieder zu erlangen.
Abbildung 11: CAD Model, gescannt und designed (links), Integration mittels 3D generiertes Bauteil (rechts) (1)
Die Selbstverwirklichung ist die Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide. Die Grundform des wahrgenommenen Bedürfnisses der Selbstverwirklichung kann in einem Satz wiedergegeben werden, „Was ein Mann sein kann, muss ein Mann sein“. Diese Stufe der Bedürfnisse bezieht sich auf das Potenzial einer Person und der Realisierung dieses Potenzials. Ausbildung und Kreativität, als zwei wichtige Zweige der Selbstverwirklichung, werden in diesem Abschnitt untersucht.
Das Ausbildungssystem spielt eine wichtige Rolle für den Menschen als Hilfestellung beim Erreichen seines vollen Potenzials. Das 3D Drucken kann das Lernerlebnis revolutionieren in dem es den Studenten hilft mit dem Lehrstoff zu interagieren. Bezahlbare 3D Drucker können in Schulen für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt werden, die den Studenten helfen ihr Interessengebiet schneller und leichter zu finden. Gegenwärtig gibt es unterschiedliche Arten von Ausbildungsprojekten um die Studenten auf die mannigfaltigen Bereiche zu lenken in dem man ihnen die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Designs zu kreieren und herzustellen mittels der 3D Druck Technologie.
Abbildung 12: Studenten Arbeiten unter Benutzung der 3D Druck Technologie an ihrem eigenen Design (links), Schmuckteile kreiert und gedruckt von Studenten (rechts) (8)
Die Fähigkeit Ideen zu entwickeln und zu präsentieren ist eine der wichtigsten Anforderungen in der Gesellschaft und menschlichen Entwicklung. Darauf Bezug nehmend ermöglicht das 3D Drucken die Herstellung von komplexen Geometrien, die mit herkömmlichen Fertigungsverfahren nur sehr schwer, teuer oder gar unmöglich herzustellen wären. Abbildung 13 zeigt zwei solcher gewöhnlichen Produkte, die ganz nach Kundenwünschen gefertigt und maßgeschneidert werden können.
Abbildung 13: Paris Sandale (1), komplexe Ring Geometrie (9)
Die revolutionäre 3D-Druck Technologie könnte die Welt neu gestalten. Durch die Vorteile dieser Technologie kann die herkömmliche Herstellung von Produkten weltweit erheblich verändert und verbessert werden. Ein Objekt wird gescannt oder mittels einer Computer-Aided-Design Software konstruiert und virtuell in hauch dünne Schichten geschnitten, die dann ausgedruckt werden, um ein dreidimensionales festes Produkt zu generieren. Wie zuvor beschrieben, hängt die Bedeutung einer Erfindung stark davon ab, welche Art der Bedürfnisse durch diese befriedigt werden. Es wurde gezeigt, dass das 3D-Drucken in fast allen Bereichen der menschlichen Bedürfnisse (nach Maslow) Anwendung finden kann. Während zwar kein gebrochenes Herz geheilt kann, unterstützt es Unternehmen und Individuen bei der schnellen und einfachen Herstellung von Objekten in jeglicher Größe und Maßstäben, nur durch die eigene Vorstellungskraft begrenzt.
Einer der Hauptvorteile der revolutionären Industrialisierung war, dass Objekte nahezu identisch hergestellt werden können, was bedeutet, dass sie ohne eine individuelle Anpassung einfach ersetzt werden können. Das 3D-Drucken hingegen ermöglicht zudem eine schnelle, zuverlässige und reproduzierbare Herstellung maßgeschneiderter Produkte. Des Weiteren kann die Herstellung durch eine Automatisierung der Prozessschritte und eine Verteilung der Fertigung kostengünstig erfolgen. Wenn die letzte industrielle Revolution uns die Massenproduktion und das Aufkommen von Skaleneffekten lieferte – kann die 3D-Druck Revolution den Kreis der Massenfertigung schließen– eine Ära der Massen-Personalisierung und die Rückkehr zur individuellen Handwerkskunst.
1. Gebhardt, A., Understanding Additive Manufacturing, Hanser Publications (Cincinnati, 2011).
2. Maslow, A.H. (1943). "A Theory of Human Motivation, Psychological Review 50(4): 370-96.
3. http://www.chocedge.com
4. Lipton, J.,et al, Multi-Material food printing whith complex internal structure suitable for conventional post processing, utexas 809-8015, (2010)
5. Khoshnevis, B. Experimental investigation of contour crafting using ceramic materials, Rapid Prototyping Journal, Vol. 7 Iss: 1 pp. 32 - 42, (2001)
6. http://www.rael-sanfratello.com/?p=916
7. Anthony Atala, Institute for Regenerative Medicine, TED conference
8. Fachhochschule Aachen university, Silber fuer Zukunft project
9. Jo-hayes award, http://www.johayes.com
Miranda Fateri, M. Sc.
Fachhochschule Aachen
Goethestraße 1
52062 Aachen
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Prof. Dr.-Ing. Andreas Gebhardt.
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