Hochbelastbare Lasersinterteile mit homogenen Materialeigenschaften

  1. Sören Grießbach VG Kunststofftechnik GmbH
  2. Ralf Lach Polymer Service GmbH Merseburg, An-Institut an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  3. Wolfgang Grellmann Polymer Service GmbH Merseburg, An-Institut an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Zusammenfassung

Mit der Zielstellung, das Lasersinterverfahren unabhängig von Ort und Zeit als ein relativ wirtschaftliches Verfahren zur Generierung von Kunststoffbauteilen für Kleinserien zu etablieren, wurde eine neue Technologie in der V.G. Kunststofftechnik GmbH für die Sinteranlagen Sinterstation PRO und Vanguard, beide von 3D Systems, entwickelt. Durch eine neue Temperaturführung im Baufeld, einen verbesserten Energieeintrag und veränderter Prozessführungssoftware können sehr dichte Bauteile hergestellt werden, die in den Grundeigenschaften nahezu denen, die mittels Spritzguss hergestellt wurden, entsprechen.

Keywords

  • Kunststoff
  • Lasersintern
  • Rapid Prototyping
  • Sinteranlagen

1. Einleitung und Stand der Technik

Das Selektive Lasersintern, Ende der 80iger Jahre an der University of Texas in Austin entwickelt und in den frühen 90igern kommerzialisiert, ist eine generative Fertigungstechnik, bei der ein Bauteil Schicht für Schicht mit Hilfe eines Lasers in einem Pulverbett, dem Bauraum, entsteht. Nach Absenkung der Bauplattform um ein zehntel Millimeter wird zunächst eine Lasersinterpulverschicht auf die Baufläche mittels eines Rollers gleichmäßig aufgetragen. Anschließend wird das Pulver durch mehrere Heizstrahler auf eine Temperatur kurz unterhalb des Schmelzpunktes erwärmt. Nun kann der Teil der Pulverteilchen, welcher später das Bauteil bildet, mit Hilfe eines über eine Linsen-Spiegeloptik gesteuerten Lasers versintert werden. Anschließend wird die Bauplattform um eine Schichtdicke abgesenkt und nach Aufbringung einer neuen Pulverschicht beginnt der Prozess von Neuem.

Durch eine optimierte lokale und zeitliche Temperaturführung sowohl innerhalb des Bauraumes als auch während der Bauteilgenerierung selbst ist es möglich, lasergesinterte Teile nahezu verzugsfrei mit den Toleranzen, wie sie aus dem Spritzguss bekannt sind, herzustellen. Details bis zu einer minimalen Wandstärke von 0,5 mm können wiedergegeben werden. Schnellere Optiken und größere Bauräume ermöglichen innerhalb von 2 Tagen den Durchsatz eines Bruttovolumens von 100 Litern.

Für belastbare Serienteile war bisher die strukturelle Anisotropie, die sich aufgrund der Schichtbauweise des Prozesses ergibt, und die damit in Baurichtung zu beobachtende unzureichende Festigkeit ein Ausschluss-Kriterium. So wiesen in Baurichtung orientierte Teile in der Regel eine um bis zu 70% geringere Festigkeit und geringere Elastizitätsmodulwerte im Vergleich zu senkrecht zur Baurichtung orientierten Teilen, so genannten flach gebauten Geometrien, auf [1–5] . Die schwer regelbare Bauraumtemperatur verursachte bisher ebenfalls starke Qualitätsschwankungen [5] . Eine Abweichung von nur 1°C von der optimalen Bauraumtemperatur nach unten hat einen Festigkeitsverlust um bis zu 10% zur Folge. Eine Erhöhung der Laserleistung bewirkt zwar eine Verringerung der Porosität und damit eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften [2 , 5 , 8–13] , wird jedoch aufgrund der größeren Wärmeeinflusszone durch eine deutliche Verschlechterung der Detailgenauigkeit erkauft. Grundsätzlich wurde dabei gefunden, dass die Festigkeit etwa proportional zur Dichte ist [5 , 11 , 12 , 14 , 15]

2. Lasersinterverfahren für hochfeste Bauteile

Eine Reproduzierbarkeit von maßhaltigen und belastbaren Teilen, die auf verschiedenen Lasersinteranlagen zu verschiedenen Zeitpunkten hergestellt wurden, war somit bisher nicht möglich. Mit der Zielstellung, das Lasersinterverfahren unabhängig von Ort und Zeit als ein relativ kostengünstiges Verfahren zur Generierung von Kunststoffbauteilen für Kleinserien zu etablieren, wurde eine neue Technologie in der V.G. Kunststofftechnik GmbH für die Sinteranlagen Sinterstation PRO und Vanguard, beide von 3D Systems, entwickelt. Durch eine neue Temperaturführung im Baufeld, einen verbesserten Energieeintrag und veränderter Prozessführungssoftware können sehr dichte Bauteile hergestellt werden, die in den Grundeigenschaften – wie Tabelle 1 entnommen werden kann – nahezu denen, die mittels Spritzguss hergestellt wurden, entsprechen.

Diese neue Technologie minimiert auch den Festigkeitsverlust in Baurichtung. Außerdem ist die Porosität der Teile viel geringer als üblich und somit die Anbindung der einzelnen Schichten untereinander deutlich verbessert. Das Niveau der mechanischen Kennwerte, wie der Zugfestigkeit und des Elastizitätsmoduls, kommt dem von Spitzgussteilen nahe. Durch verbesserte Maschinenleistungen und optimierte Parameter konnten Prüfkörper aus Polyamid 12 (PA 12) generiert werden, die nahezu unabhängig von der Lage im Bauraum eine Zugfestigkeit von mehr als 40 MPa aufweisen. Mit einer verbesserten Scannstrategie wird lageunabhängig eine Zugfestigkeit von mehr als 50 MPa erreicht, die der von spritzgegossenem PA 12 entspricht (Tabelle 1). Das Material besitzt eine höhere Massendichte und wird, in Anlehnung an die Werkstoffbezeichnung bei PE-Werkstoffen als PA-HD bezeichnet.
Durch die geringere Fehlstellenanzahl ist es auch möglich, schon bei geringen Dicken eine Wasser- und Gasdichtheit ohne die – sonst übliche – nachträgliche Infiltration zu erzielen.

Kenngrößen

Duraform PA-HD

Duraform (Spritzguss) a

Zug-E-Modul (MPa)

Zugfestigkeit (MPa)

Biege-E-Modul (MPa)

Dichte (g/cm3) Kugeldruckhärte (N/mm2)

Dehnung bei Bruch (%)

1.950–2.050

52–54

1.670

1,024

86

6–14

1.550

48 b

1.430

1,015 b

85–88

>100

Tab. 1: Mechanisches Kennwertniveau von lasergesintertem Material PA 12 (Duraform) im Vergleich zu spritzgegossenem Material
a Bei dem verwendeten Duraform handelt sich um ein für den Sinterprozess optimiertes Material.
b Für Spritzgusstypen wird durch Zugabe von Additiven ein höherer Kristallisationsgrad erreicht, was sich in einer höheren Dichte (1,05 g/cm3) und Zugfestigkeit (65 MPa) niederschlägt.

3. Anwendungsbeispiele von PA-HD

Für die Fa. Festo wurden Druckluftbauelemente aus Duraform PA-HD hergestellt. Diese Elemente wurden mit einem Arbeitsdruck von 8 bar betrieben. Die Kosten zur Bauteilgenerierung liegen dabei nur bei einem Bruchteil der veranschlagten Kosten für das Fräsen der Bauteile aus Plattenmaterial. Obwohl die Bauteile ursprünglich für Aluminium und damit nicht kunststoffgerecht konstruiert waren, ließen sich die Funktionstests mit den PA-HD-Bauteilen sehr praxisnah durchführen. Bei einem Dauertest hielten die Lasersinterteile aus dem hochversinterten Polyamid sogar 250.000 Lastwechseln stand, bevor diese barsten.

Ein weiteres Einsatzfeld für hochfeste Kunststoffsinterteile ergab sich bei der Fa. Wolfcraft, einem führenden Produzenten von Spannwerkzeugen. Dabei sollten Spannelemente, welche in der Serie aus einem kurzglasfaserverstärkten PA 6 gefertigt werden, zeitnah und kostengünstig hergestellt werden. Diese Spannelemente dienten im Weiteren zur Durchführung von Belastungstests. Eine erste signifikante, jedoch reversible Verformung der Spannarme wurde ab einer Kraft von ca. 1.400 N beobachtet. Die Sollkraft, die die Elemente bei Belastung mindestens erreichen sollten ohne zu versagen, lag bei 2.200 N (Grenzbelastung). Bei dieser Kraft kam es jedoch trotz Verformung der Stahlschiene nicht zum Bruch (Abb. 1). Vielmehr trat ein Versagen des oberen Spannarmes erst bei einer Belastung von 2.400 N auf und damit bei einer 50% höheren Bruchkraft im Vergleich zu einem handelsüblichen Duraform PA.

Mit einer neuen Lasersintertechnologie können den Anwendern also in kurzer Zeit komplex geformte, hochfeste Bauteile zur Verfügung gestellt werden. Somit sind die Weichen gestellt, dass sich das Lasersintern in verstärktem Maße zu einem etablierten Verfahren für Einzelanfertigungen und Kleinserien entwickeln kann.

Abb. 1: Zange aus Duraform PA-HD, Belastung: 2.200 N

4. Danksagung

Wir danken folgenden Unternehmen für die Freigabe von Informationen und Bildmaterial: Der Fa. Delphi Deutschland GmbH, Wuppertal, der Fa. Festo AG & Co. KG, Esslingen, (Informationen zu Druckkammergehäusen. Esslingen (2007), siehe: www.festo.com) und der Fa. Wolfcraft GmbH, Kempenich (Prüfbericht. Kempenich (2007)).

5. Die Autoren

Dipl.-Phys. Sören Grießbach ist seit Beendigung seines Physikstudiums an der TU Chemnitz im Jahr 2004 als FuE-Verantwortlicher in der V.G. Kunststofftechnik GmbH, Chemnitz, tätig.
Dr. Ralf Lach hat im Jahr 1997 auf dem Gebiet des Bruchverhaltens von Kunststoffen promoviert und ist derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Polymer Service GmbH Merseburg, tätig.
Prof. Dr. Wolfgang Grellmann ist Leiter der Professur „Professur Werkstoffdiagnostik/ Werkstoffprüfung“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Geschäftsführer der Polymer Service GmbH Merseburg.

6. Literatur

[1] Sauer, A.: Optimierung der Bauteileigenschaften beim selektiven Lasersintern von Thermoplasten. Shaker-Verlag, Herzogenrath (2005)

[2] Caulfield, B., McHugh, P. E., Lohfeld, S.: J Mater. Process. Technol. 182 (2007) 477

[3] Chung, H., Das, S.: Mater. Sci. Eng. A – Struct. Mater. Proper. Microstuct. Process. 437 (2006) 226

[4] Anjou, U., Sale, N., Hopkins on, N., Hague, R., Erasenthiran, P.: Proc. Institut. Mech. Eng. Part B – J. Eng. Manufact 220 (2006) 1077

[5] Gibson, I., Dongping, S.: Rapid Prototyping J. 3/4 (1997) 129

[6] Zarringhalam, H., Hopkinson, N., Kamperman, N. F., de Vlieger, J. J.: Mater. Sci. Eng. A – Struct. Mater. Proper. Microstuct. Process. 435 (2006) 172

[7] Gornet, T.J., Davis, K.R., Starr, T.L., Mulloy, K.M.: In: Proc. of the Solid Freeform Fabrication Symposium on Characterization of Selective Laser Sintering Materials to Determine Process Stability. University of Texas in Austin/USA, Austin (2002) 546

[8] Zheng, H.Z., Zhang, J., Lu, S.Q., Wang, G.C., Xu, Z.F.: Mater. Lett. 60 (2006) 1219

[9] Hon, K.K.B., Gill, T.J.: CIRP Annals – Manufact. Technol. 52 (2003) 173

[10] Gill, T., Hon, B.: In: Proc. of the Solid Freeform Fabrication Symposium on Characterization of Selective Laser Sintering Materials to Determine Process Stability. University of Texas in Austin/USA, Austin (2002) 538

[11] Ho, H.C.H., Gibson, I., Cheung, W.L.: J. Mater. Process. Technol. 89-90 (1999) 204

[12] Badrinarayan, B., Barlow, J.W.: In: Proc. of the Solid Freeform Fabrication Symposium. The University of Texas in Austin/USA, Austin (1995) 55

[13] Grießbach, S., Lach, R., Grellmann, W.: In: Tagungsband 11. Tagung Problemseminar Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Merseburg (2007) 272

[14] Schmidt, M., Pohle, D., Rechtenwald, T.: CIRP Annals – Manufact. Technol. 56 (2007) 205

[15] Ajoku, U., Hopkinson, N., Caine, M.: Mater. Sci. Eng. A – Struct. Mater. Proper. Microstuct. Process. 428 (2006) 211

7. Kontaktangaben

Sören Grießbach
VG Kunststofftechnik GmbH
Ludwig-Richter-Str. 38
09131 Chemnitz
Tel: 0049 (0) 371471 61-0
Fax: 0049 (0) 37147161-6
Email. info@vg-kunst.de
WEB: www.vg-kunst.de

Dr.-Ing. Ralf Lach
Polymer Service GmbH Merseburg, An-Institut an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Geusaer Str.
06217 Merseburg
Tel: +49 (0) 3461- 462780
Fax: +49 (0) 3461 46-2592
Email: ralf.lach@psm.uni-halle.de
WEB: www.iw..uni-halle.de

Prof. Dr. Wolfgang Grellmann
Polymer Service GmbH Merseburg, An-Institut an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Geusaer Str.
06217 Merseburg
Tel.: +49 (0) 3461 46-2777
Fax: +49 (0) 3461 46-2592
Email: wolfgang.grellmann@iw.uni-halle.de
WEB: www.iw..uni-halle.de