Rapid Manufacturing im Automobilbau
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urn:nbn:de:0009-2-968
Zusammenfassung
Der Automobilbau ist geprägt durch unterschiedliche Produktangebote von hoher Komplexität. Während Derivate von Großserien-Fahrzeugen durch Kommunalteil- und Plattformstrategien wirtschaftlich abgebildet werden können, weisen Kleinserien-Fahrzeuge weitaus schwierigere Randbedingungen auf. Bedingt durch die gezielte Individualität und somit eigenständigen Charakter werden unterschiedliche Fahrzeugausstattungen und -Umfänge nötig. Diese erfordern eine Vielzahl von Gestaltvarianten in kleinsten Stückzahlen, die häufigen geometrischen Änderungen in kurzen Zyklen unterworfen sind.
Hier bieten generative Verfahren durch Eigenschaften wie eine hohe Änderungsflexibilität und Prozessgeschwindigkeit die Möglichkeit, durch den Verzicht auf Werkzeuge eine wirtschaftliche Fertigung zu realisieren (Rapid Manufacturing).
In regelmäßigen Abständen werden daher die aktuell verfügbaren generativen Verfahren für die Fertigung von Kleinserien-Bauteilen untersucht und bewertet. Auf Basis dieser Technologieanalysen soll der Fachbeitrag übergreifend Auskunft über den aktuellen Stand der Technik aus Sicht des Automobilbaus geben und Potential für Weiterentwicklungen bezüglich der Werkstoff- und Anlagentechnik aufzeigen.
Abstract
Automotive industry is characterised by a variety of complex product offers. While the economics of derivatives of large-series vehicles can be depicted by strategies of non-variable components or platforms, small-series vehicles display far more difficult conditions whereas.
Specific individuality and therefore an independent character necessitates a variety of vehicle equipment and volumes. These in turn require many different design variants in small piece numbers which are often subject to geometric alterations in short cycles.
This is where generative processes with features such as a high degree of alteration flexibility and process speed offer the possibility to realise economical manufacturing processes while dispensing with conventional tools (Rapid Manufacturing).
The generative processes currently available for manufacturing small-series components are examined and evaluated at regular intervals. This contribution uses these technological analyses as a basis for providing comprehensive information on the current state of the art in terms of automobile manufacturing and displaying potentials for further development as regards materials and system technology.
Der Automobilbau ist geprägt durch unterschiedliche Produktangebote von hoher Komplexität. Während Derivate von Großserien-Fahrzeugen durch Kommunalteil- und Plattformstrategien wirtschaftlich abgebildet werden können, weisen Kleinserien-Fahrzeuge weitaus schwierigere Randbedingungen auf. Bedingt durch die gezielte Individualität und somit eigenständigen Charakter werden unterschiedliche Fahrzeugausstattungen und -Umfänge nötig. Diese erfordern eine Vielzahl von Gestaltvarianten in kleinsten Stückzahlen, die zudem häufigen geometrischen Änderungen innerhalb kurzer Zyklen unterworfen sind [Abb.1].
Abb.1: Individuelle Fahrzeugausstattung einer Fahrzeug-Kleinserie
Eine wirtschaftliche Fertigung ist dadurch häufig problematisch. Die Fertigung von Bauteilen ist unter diesen gegebenen Randbedingungen werkzeugbasiert bzw. manufakturiell möglich. Beide Ansätze weisen dabei Vor- und Nachteile auf.
Die allgemeine werkzeugbasierte Fertigung kann unterteilt werden in „Hard-„ und „Soft-Tooling“. Das Hard Tooling, d.h. die werkzeugbasierte Fertigung mit Metallwerkzeugen, bietet neben einer hohen Wiederhol- und Abbildungsgenauigkeit eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit und Standfestigkeit der Werkzeuge. Es werden damit große Stückzahlen von Bauteilen mit hoher Qualität innerhalb kurzen Zyklen herstellbar (Bsp. Kunststoff-Spritzguss, Leichtmetall-Druckguss).
Damit verbunden ist jedoch ein hoher finanzieller Aufwand bedingt durch die komplexe und zeitintensive Werkzeug-Herstellung. Etwaige Werkzeug-Änderungen durch die Gestaltänderung von Bauteilen sind ebenfalls stark zeit- und somit kostenwirksam und senken somit deutlich die Flexibilität einer Kleinserie.
Das Hard-Tooling stellt daher für eine Kleinserien-Fertigung nur dann eine Alternative dar, wenn höchste Qualitätsansprüche ohne besonderen Fokus auf Änderungsflexibilität oder Kosten an die Produkte gestellt werden.
Eine Alternative zum Hard- ist das Soft-Tooling, der Fertigung mit Kunststoff-Werkzeugen.
Diese werden i.d.R. in serienfremden Verfahren wie u.a. RIM- oder Vakuumguss-Verfahren eingesetzt, wodurch sich die erzielbaren Bauteileigenschaften vom Hard-Tooling unterscheiden können.
Kunststoffe als Werkzeugmaterial bieten den Nachteil größerer Maßtoleranzen eines höheren Werkzeugverschleißes, der zu einer geringeren Ausbringungsmenge führen kann.
Diese Nachteile werden jedoch durch die wesentlich einfachere und somit kostengünstigere Ver- bzw. Bearbeitung der Werkzeugmaterialien entkräftigt.
Das Soft-Tooling bietet die Möglichkeit Werkzeuge schneller und kostengünstiger als im Hard-Tooling zur Verfügung zu stellen - dies steigert eine notwendige Kleinserien-Flexibilität.
Die manufakturielle Fertigung ist geprägt durch die manuelle Bearbeitung von Rohmaterialien bzw. vorgefertigten Bauteilen unter Verwendung einfacher Hilfsvorrichtungen und Handwerkzeuge. Durch den Entfall abformender Werkzeuge können Ziel-Geometrien innerhalb kurzer Zeit und kostengünstig erstellt werden. Nachteilig hingegen stellt sich die geringe Wiederholgenauigkeit sowie geringe Prozessgeschwindigkeit dar. Der Fertigungsansatz der manuellen Fertigung stellt daher eine schnelle aber ungenaue Möglichkeit der Einzelteilteil- und Kleinserienfertigung dar.
Der Automobilbau befindet sich hinsichtlich Kleinserien-Fahrzeuge bei nahezu jedem großserien-fremden Bauteil in einem Spannungsfeld aus Qualitätsanspruch, Stückzahl und Wirtschaftlichkeit einer Fertigungstechnologie. Rapid Technologien können hier eine optimale Mischung der positiven Eigenschaften aus werkzeugbasierter und manufakturieller Fertigung bieten. Bedingt durch das Funktionsprinzip des schichtweisen Aufbaus kann eine fast vollkommen werkzeugfreie Fertigung realisiert werden. Verursacht durch die maschinelle Fertigung können Rapid Technologien eine gute Wiederholgenauigkeit aufweisen. Die Herstellungsgeschwindigkeit einzelner Bauteile stellt sich im Vergleich zur werkzeugbasierten Fertigung als langsam heraus – unter Betrachtung des Gesamtprozesses (inklusive Werkzeugherstellung) wird jedoch eine schnelle Verfügbarkeit von Bauteilen sichtbar. Wird der schnelle Bedarf von Gestaltvarianten eingeschlossen, erweisen sich Rapid Technologien durch eine parallele Variantenfertigung als für Kleinserien unabdingbar.
Neben diesen Vorteilen ergibt sich durch das Funktionsprinzip zusätzlich eine enorme konstruktive Gestaltungsfreiheit, die sich in Themen wie Funktionsintegration, Hybridbauweisen oder Leichtbau niederschlagen kann.
Diese Gründe führen Fahrzeughersteller dazu, generative Verfahren nicht nur für die Fertigung von Versuchsteilen, sondern auch für Kundenteile näher zu betrachten [Abb.2].
Abb.2: Potentiale generativer Verfahren für die Kleinserienfertigung
In regelmäßigen Abständen werden die aktuell verfügbaren generativen Verfahren auf ihre Eignung für das Rapid Manufacturing im Automobilbau untersucht und bewertet. Inhalte sind dabei die technologische Reife der Materialien und Maschinentechnik sowie die Bestimmung von Wirtschaftlichkeitskennzahlen [Abb.3].
Abb.3: Voraussetzungen für das Rapid Manufacturing im Automobilbau
Materialien werden als technologisch reif bezeichnet, wenn deren Material-Kennwerte serienfähig sind, d.h. alle freigebenden Bauteil-Tests wiederholbar erfolgreich absolviert werden können. Als wichtig stellt sich hier insbesondere die Langzeitfestigkeit als maßgebliche Bauteil-Eigenschaft dar.
Die Maschinentechnik generativer Verfahren erweist sich dann als für den Automobilbau kleinserienreif, wenn jene stabil, d.h. ausfallsicher und mit wenig Betreuungsaufwand betrieben werden kann. Im Fokus stehen dabei Mindestanforderungen hinsichtlich der Automatisierung (Materialzuführung, Nachbearbeitung) und eine permanente Qualitätssicherung durch Prozesskontrolle und –Regelung.
Nur wenige generative Verfahren haben sich bisher als kleinserienfähig erwiesen. Schwachpunkte sind u.a. die Wiederholgenauigkeit bzw. Langzeitfestigkeit der Materialeigenschaften sowie der enorme Betreuungsaufwand der Anlagen. Auch die häufig aufwändige Bauteilnachbehandlung erschwert die Etablierung der werkzeuglosen Fertigung - aktuell sind in der Kleinserien-Fertigung daher nur Nischenanwendungen des Rapid Manufacturing möglich. Die technologische Serienreife der generativen Verfahren muss somit bis dato als für den Fahrzeugbau nicht ausreichend bezeichnet werden. Entwicklungen hinsichtlich Material- und Maschinentechnik sind weiterhin nötig.
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