Modelle und Prototypen für die Medizin

Praxisbeispiele, Verfahren und Stand der Technik medizinischer Rapid Prototyping-Aufgaben

  1. Dr.-Ing. Andreas Sauer Universität Duisburg-Essen
  2. Dr.-Ing. Frank Beneke Universität Duisburg-Essen
  3. Prof. Dr.-Ing. Diethard Bergers Universität Duisburg-Essen
  4. Prof. Dr.-Ing. habil. Gerd Witt Universität Duisburg-Essen

Zusammenfassungen

Der Anwendungsbereich für Modelle und Prototypen hat sich mittlerweile auch auf unterschiedlichste medizinische Fragestellungen ausgedehnt. Der vorliegende Beitrag zeigt an verschiedenen Praxisbeispielen und Verfahren Möglichkeiten eines in der Technik etablierten Verfahrens für eine erweiterte Anwendung auf.

The range of application for models and prototypes has expanded to many different medical questions. By showing different practical examples and procedures the present article demonstrates possibilities for an extended application of a procedure which is established in the technique of Rapid Prototyping.

Keywords

  • 3D-Redkonstuktion
  • Finit-Element-Modell
  • Implantatfertigung
  • Magnetresonanztomograph
  • Medizin
  • Medizinische Modelle
  • Prototypen
  • STL-Format
  • Segmentierung
  • VRML-Format
  • Virtual Prototyping

3. Modellvorbereitung: Aufbereitung der Daten aus der Medizin

Für die technische Weiterverarbeitung modellbeschreibender Daten müssen diese in geeigneten Datenformaten vorliegen. Rapid Prototyping-Anwendungen erfordern heute üblicherweise das STL-Format (Standard Triangulation Language), welches die Oberfläche eines Bauteils durch Zerlegung in Dreiecke darstellt (Abb. 1). Ein Normalenvektor zeigt zusätzlich die Innen- und Außenseite eines Modellkörpers an. Im Bereich der virtuellen Prototypen findet meistens das VRML-Format Verwendung (Virtual Reality Modeling Language). Medizinische Daten lassen sich in der Regel nicht direkt in technischen Anwendungen nutzen, da sie überwiegend in speziellen medizinischen Formaten vorliegen. Eine Direktschnittstelle zur Umwandlung in technische Formate ist ebenso wenig zu finden wie die direkte Einlesbarkeit der medizinischen Formate in die technischen Anwendungen.

Abb.3: Dreiecksoberfläche beim STL-Format

Bei schichtorientierten Daten, wie sie Computer- (CT) oder Magnetresonanztomographen (MRT) generieren, werden Bilder in einem festgelegten (Schicht-) Abstand aufgenommen. Dieser „Zwischenraum“ muss für eine räumliche Darstellung des Modells wieder rekonstruiert werden. Problematisch sind in diesem Fall die Fehler durch die in den Zwischenräumen fehlenden Informationen, die Auflösung der Schichten, aber auch die erreichbare Genauigkeit der Segmentierung (Auswahl der interessierenden Struktur und deren Abgrenzung). Die heute mögliche Aufnahme von kontinuierlichen 3D-Datensätzen als Alternative ist ebenfalls nicht problemfrei. Zwar liegen hier komplett beschriebene Volumen vor, dies geht aber zu Lasten der Qualität der Daten. Spätere Segmentierungsschritte werden damit erschwert (z.B. infolge des Kontrastes).

Die rekonstruierte dreidimensionale Struktur (vgl. Abb. 2 und Abb. 4) wird anschließend in weiterverarbeitbare Datenformate exportiert.

Für die Visualisierung der medizinischen Bilddaten, den Prozessschritt „3D-Rekonstruktion“ und die Erstellung der technisch nutzbaren Daten sind spezielle Softwarepakete zur medizinischen Bildbearbeitung erhältlich. Abb. 5 zeigt in technisch nutzbare Datenformate exportierte medizinische Bilddaten.

Abb.4: Datenaufbereitung und 3D-Rekonstruktion

Abb 5: exportierte Daten
links: Hüfte im VRML-Format (dargestellt: Teil des Femur und Teil der Hüfte
rechts: knöcherne Struktur im STL-Format

4. Generativ oder abtragend zu neuen Modellen?

Die Erstellung der Modelle kann grundsätzlich sowohl über Materialauftrag (Stereolithographie, Lasersintern usw.), d.h. generativ als auch über materialabtragende Verfahren (z.B. konventionelles Fräsen oder Hochgeschwindigkeitsfräsen, HSC1), also abtragend erfolgen (vgl. Abb. 6). Die generative Fertigung erfolgt durch abwechselndes Auftragen des Werkstoffs in dünnen Schichten (ca. 0,1 mm) und der Verfestigung (Pulver, Flüssigharz) bzw. Konturierung (Folie). So entsteht schichtweise ein beliebig komplexes Modell.

Abb.6: Generative und abtragende Rapid-Prototyping-Verfahren

Für die Erstellung realer Modelle über Rapid Prototyping-Verfahren ist die Überführung der Geometriedaten in maschinenverarbeitbare Daten notwendig. Hier sind die Erfordernisse des jeweiligen angedachten Rapid Prototyping-Verfahrens, wie z.B. die Generierung von Stützen, zu beachten. Dies beinhaltet auch Fragen der Aufbaustrategie der Modelle, vor allem im Hinblick auf ihre späteren Verwendungszwecke. Im vorliegenden Beispiel wurde ein dreiachsiges CNC2-Bearbeitungszentrum und eine Lasersinteranlage zur Fertigung verwendet. Die Geometrieinformationen mussten dazu in Maschinenparameter übersetzt und entsprechende Maschinen- und Werkzeugeinstellungen vorgenommen werden (Abb. 7).

Im CNC-Bearbeitungszentrum erfolgt die Herstellung des Modells über Materialabtrag (Zerspanen). Hingegen wird im Lasersintern ein Materialauftrag durch das Verschmelzen eines Kunststoffpulvers vorgenommen (Abb. 8). Im direkten Vergleich ergeben sich als besondere Vorteile der beiden Verfahren:

  • Generativ: Komplexität nahezu unbegrenzt, beim Lasersintern lediglich Pulverentfernung.

  • Abtragend: Materialauswahl nahezu unbegrenzt, Zerspanbarkeit erforderlich.

Abb.7: Vorbereitung der Prototypenfertigung
links: Lasersintern: Anordnung im Bauraum
rechts: numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen: NC-Vorbereitung (farbige Bahnen kennzeichnen Werkzeugpfade und Zustellbewegungen)

Abb.8: Modelle eines Hüftknochens:
links: lasergesintertes Rapid Prototyping-Modell (Material: Polyamid PA12)
rechts: gefräster Prototyp (Material: PVC)